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„Erich Grubers Werkkanon ist geprägt von Kraft und Intensität, von einem differenzierten Blick unter die Oberfläche und einer subtilen Dramatik.“ 
(Tina Teufel)

Erich Gruber – Abstrakte Zeichnungen: Sinfonie für Bleistift und Papier

Erich Grubers Werkkanon ist geprägt von Kraft und Intensität, von einem differenzierten Blick unter die Oberfläche und einer subtilen Dramatik. Die Zeichnung spielte dabei immer eine wichtige Rolle, wenngleich sie eher am Rande der Malereien und in Mischtechnik entstandenen Werke stand und als deren Basis fungierte. Man kann die Faszination Erich Grubers für die Zeichnung mit einem im Untergrund brodelnden Vulkan vergleichen, dessen Lava nun nach oben dringt und sowohl beim Künstler selbst als auch bei den BetrachterInnen nach einem neuen Fokus verlangt.
Seit 1999 ist Erich Gruber die Zeichnung als Möglichkeit der Erschaffung (s)einer eigenen Welt eine ständige Begleiterin, seit 2010 sind es insbesondere die abstrakten Zeichnungen, die sich zu einem besonderen Portfolio zusammenfügen und sich lediglich peripher mit seinen älteren Werkgruppen verknüpfen lassen – noch.
Das Besondere an den Zeichnungen des Künstlers ist die Konzentration auf Bewegung, Vibration, unklare Grenzen und Auflösung, ihre Materialisierung zu Volumina und Raum. Nicht nur was und wie er sieht ist Erich Gruber wichtig, sondern das Drumherum. Insofern stellt gerade die Auflösung eine besondere Form von Präzision dar, eine bildnerische Beschreibung dessen, was dem Gesehenen inne liegt. Kontraste zwischen rasanter, schäumender, brodelnder, also kraftvoller Dissolution stehen einer sanften, vaporisierenden Entmaterialisierung oft unmittelbar gegenüber oder überlagern sich sogar. Flächen gewaltiger Kumulation des Bleistiftduktus wird dieselbe Bedeutung beigemessen wie scheinbar leeren Flächen. Mikro- und Makrokosmos verschmelzen zu einer neuen Welt.
Der Duktus des Bleistiftes – von zarter Berührung bis zu regelrechter Penetration des Papieres – konzentriert sich auf die Kraft der Linie. Ohne jegliche Form von Schraffur entstehen durch die unterschiedliche Stärke des Strichs und die durchscheinende Überlagerung mannigfaltiger Arbeitsebenen Volumina, die das Betrachterauge herausfordern und nach einer ständigen Überprüfung des Gesehenen verlangen.
Obschon in manchen Zeichnungen scheinbar Gegenständliches – Körper, vegetabile Formen, Landschaften – auftaucht, tritt die Dynamik der Strichführung in den Vordergrund, die zu einem Vexierspiel der Raum- und Zeitebenen förmlich einladen.
Die Intensität der Wahrnehmung von Raum und Volumina ist dabei nicht vom einem Cluster an Überlagerungen abhängig, sondern ist in den sich auf wenige, starke Striche konzentrierenden Zeichnungen ebenso präsent.
Der inzwischen vorliegende Werkkomplex von vielen hunderten Zeichnungen ist nur eine Zwischenbilanz der Suche Erich Grubers nach einer eigenen Formensprache, seiner eigenen Welt.

Tina Teufel, 2011